Appenzeller Komitee „Note ungenügend – Nein am 17. Mai“

Weshalb nein

Die heutige Beurteilung bewährt sich

An der Volksschule in Appenzell Ausserrhoden wird seit zehn Jahren eine über alle Schulstufen bewährte Form der Beurteilung umgesetzt. Die verschiedenen Funktionen der Beurteilung werden der Entwicklungsstufe der Lernenden angepasst.

Auf der Sekundarstufe I wird bereits heute der „stärkeren Gewichtung der künftigen Selektion“ durch Notenzeugnisse Rechnung getragen.

Auf der Primarschulstufe stehen die Förderung, das Lernen lernen, das Erkennen von Fähigkeiten und Fortschritten und das Stärken des Selbstvertrauens im Zentrum.

In der heutigen Beurteilung ist die regelmässige direkte Rückmeldung an die Lernenden zu den erbrachten Leistungen im Zentrum. Was habe ich gut gemacht? Was kann ich verbessern? Welche neuen Ziele stelle ich mir?

In Beurteilungsgesprächen mit Eltern und Kind werden die erreichten Lernziele besprochen, die Einschätzungen der Lernfortschritte und Hindernisse aus Sicht aller Beteiligten ausgetauscht und Massnahmen vereinbart.

Lernende machen eine Selbstbeurteilung und in einem Zeugnis (Lernbericht) werden die Zielerreichung beurteilt.

Die heutige Beurteilungsart „zwingt“ alle Beteiligten, sich mit den effektiv erbrachten Leistungen und dem Lernen zu befassen und stellt das förderorientierte Lernen ins Zentrum.

          Die Eltern sind gut und offen informiert.

         Die Kinder wissen genau was sie können und was noch nicht.

         Die Lehrerinnen und Lehrer setzen sich mit allen Kindern und derem Lernen intensiv auseinander.

         Rekurse gegen Beurteilungen haben klar abgenommen.

 

 

Noten aus pädagogischer Sicht

 

Noten als Belohnung und Anreiz für starke Schüler/innen?

Auch für starke Schülerinnen und Schüler sind Noten nicht ideal. Es zeigt sich ja auch bei ihnen, dass die Tendenz, nur für die Noten zu lernen, stark vorhanden ist. Gleichzeitig besteht die Verführung, dass man sich bei der Erreichung eines gewissen Notenniveaus zurücklehnt und mit der Leistung zufrieden ist, ohne das vorhandene Potenzial ausgeschöpft zu haben. Dies kann nicht das Ziel einer förderorientierten Schule sein.

Noten als Ansporn für leistungsschwächere Schüler/innen?

Meint es eine Schule ernst mit dem individualisierenden Unterricht, dann ist das Ende von Einheitsprüfungen und des konventionellen Notensystems nur konsequent. Es ist nachweislich untersucht und bestätigt, dass Noten ungünstige Auswirkungen auf die Leistungsentwicklung haben. Sie gehören zu den stärksten Auslösern von Schulangst und blockieren damit Lernfreude und Zuversicht. Sie behindern und zerstören die Motivation für die Auseinandersetzung mit Sachthemen und fachlichen Problemen. Sie stempeln leistungsschwache Schüler zu dauerhaften Versager, die sich wenig zutrauen. Fördern und fordern werden erschwert. Die Behauptung, Noten seien notwendige Anreize für das Lernen, wird durch schulisch erfolgreiche Länder widerlegt (PISA).

 

„Mit Noten kann Leistung belohnt werden“

Für alle Lernenden sind Belohnungen wichtig. Lernfortschritte, spürbare Anstrengungen, erfolgreiche Umsetzungen und Ergebnisse, neue Lösungen sollen belohnt werden. Die Belohnung erfolgt über direkte positive, ermunternde und direkte Rückmeldung im Zusammenhang mit der Leistung. Die wichtigste und wirkungsvollste Form der Belohnung erfolgt in der mündlichen Rückmeldung. Diese kann ergänzt werden durch einen Kurztext. Solche Rückmeldungen stärken die Beziehungen und das Selbstbild und können auch dann ehrlich und besonders wichtig sein, wenn die Leistung individuell erfolgreich, aber vielleicht im Klassendurchschnitt nicht herausragend ausfällt.

Gute Schüler werden durch gute Noten regelmässig, vielleicht während der gesamten Dauer der Schulzeit belohnt. Selbst für diese Schüler/innen sind die Noten jedoch nicht unbedingt leistungsfördernd. Gute Schüler/innen leiden unter der Notengebung jedoch auch nicht besonders. Für sie gilt, dass sie auch die schlechtesten Schulsituationen relativ gut überleben.

 

 

 

Wozu eine Änderung des Systems ?

Welches sind Stärken und Schwächen der heutigen Art der Beurteilung?

Die heutige Form der Beurteilung auf der Primarschulstufe stellt bei den 10 bis 12 jährigen Kindern die  Förderorientierung in den Mittelpunkt. Der Uebertritt an die Sekundarschule funktioniert sehr gut. Die aktuelle Beurteilung passt zu den erweiterten Unterrichtsformen, der offenen Elternarbeit und der individuellen Förderung aller Lernenden.

         Kinder wissen genau was sie können und wo und wie sie sich verbessern können.

         Eltern erhalten konkrete Rückmeldungen und sind einbezogen.

         Die Beurteilung dient der Entwicklung und Stärkung des Lernens.

Eine gute Arbeitshaltung, Disziplin und Leistungsbereitschaft werden über die natürliche Autorität der Lehrpersonen und über „starke Beziehungen“ gefördert und nicht über Notendruck.

Die heutige Form der Beurteilung ist nicht so einfach, vertraut und praktisch wie die Notenzeugnisse.

Obwohl belegt ist, dass Noten mangelhaft sind, dass leistungsfremde Faktoren massgeblich mitspielen (soziale Herkunft), dass mehr als ein Drittel aller Schüler aufgrund der Notengebung falsch eingestuft sind, dass der Wohnort über die Notengebung und die Schullaufbahn mitentscheiden, dass gleiche Leistungen ganz unterschiedlich benotet werden, werden mit Noten nachgewiesen fälschlicherweise bessere Leistungen und mehr Anstrengungen der Kinder verbunden.

Geben Noten klarere und verständlichere Informationen an Eltern , Lernende und Lehrpersonen?

„Lesen: 4.8“ – dies ist scheinbar klar und verständlich. Eltern sind – je nach Ansprüchen – erleichtert,  weil ihr Kind recht gut lesen kann oder noch nicht ganz zufrieden, weil doch eine 5 erstrebenswert wäre. Die Information sagt, dass das Kind im Bereich Lesen etwa in der Norm liegt. Niemand fragt sich, wie die „4.8“ entstanden ist. Erst die Auseinandersetzung mit den Lernzielen gibt wirkliche Klarheit und bildet den Ansatz zur Verbesserung. Die Lesetechnik ist bereits gut entwickelt, das Kind liest fliessend, stolpert auch selten über schwierige Begriffe und betont gut. Hingegen ist das Leseverstehen, die Widergabe des Inhalts noch mangelhaft. Hier ist anzusetzen.

Wird die Beurteilung mit zusätzlichen Noten besser?

Selbst die Initianten beurteilen die heutige Beurteilung als gut. Der grosse Irrtum liegt in der Behauptung, dass  das gute System mit der Ergänzung durch Noten noch besser werde und an Qualität gewinne. Die konsequente Förderorientierung und die laufende Notengebung vertragen sich nicht! Mit der Wiedereinführung der Noten will man nicht das Lernen unterstützen, sondern die frühere „Noten-Schulkultur“ wieder einführen. Dieses Interesse liegt auch in der Forderung nach jährlichen Leistungsmessungen. Die Rückkehr zur alten Ziffern-Noten löst kein einziges unserer heutigen Probleme mit den Resultaten der Schulbildung. Ein leistungsfähiges Bildungswesen arbeitet mit anspruchsvolleren Ziel- und Beurteilungskriterien.

 

 

Leistungsvergleiche

 
Versteckt hinter der „Notenforderung“ werden jährliche Leistungsmessungen verlangt. Im Edikt wird darauf kaum eingegangen. Selbst den Initianten ist nicht klar, was sie damit eigentlich fordern. Leistungsvergleiche in den Klassen, in allen Ausserrhoder-Schulen, über alle Lernenden der Schweiz? In einzelnen Fächern oder in allen Bereichen? Sind diese Ergebnisse dann gleichsam die wichtigste Quelle für die Notenzeugnisse?

 

Bereits heute werden regelmässig zu einzelnen Lernbereichen gesamthafte Prüfungen gemacht. Es gibt erste interkantonale Instrumente, die in Ausserrhoden eingesezt werden. Ein solcher Test kann nicht – wie es sich die Initianten vorstellen – gleichzeitig das Schulsystem evaluieren, die Lehrerinnen und Lehrer überprüfen und dem Kind noch Rückmeldung geben, wo es im Vergleich (mit wem?) steht. 

         HarmoS sieht die Entwicklung gesamtschweizerischer Standards und Tests in einzelnen Fachbereichen vor. Diese will dann auch Ausserhoden einsetzen.

 

         Es ist unsinnig, jährlich solche Tests in allen Klassen und vielen Fächern durchzuführen, sie sollen sich auf die Lernzyklen beziehen.

 

         Es ist zudem sehr kostenaufwendig, solche Tests zu entwickeln.